Influencer Marketing – zwischen Meinungsmache und Schleichwerbung

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Das ist wieder so ein Wort, das in den letzten paar Jahren Marketer auf der ganzen Welt beschäftigt hat: Influencer Marketing. Die einen geraten dabei in selige Verzückung, die anderen rollen genervt mit den Augen. Was genau ist das denn eigentlich, fragst du dich? Nun, „to influence“ bedeutet „beeinflussen“. Hier wird also Werbung durch Beeinflussung gemacht. Irgendwie ist Werbung ja immer eine Einflussnahme auf die Kaufentscheidung von Konsumenten. In diesem Fall ist damit aber gemeint, dass man Personen einsetzt, die von der Zielgruppe als Vorbild wahrgenommen werden, dem man nacheifern möchte.

Diese Form des Marketings hat eine bevorzugte Zielgruppe und die dazu passenden Kanäle: Influencer Marketing ist meistens darauf ausgerichtet, junge Menschen zu erreichen. Die findet man besonders gut auf Instagram und YouTube. In Foto-Postings und Videos werden nun also beinahe nebensächlich, aber doch deutlich zu erkennen, Produkte präsentiert. Der Influencer ist als Person wie eine Marke. Seine Fans sehen sich täglich zu Zehntausenden seine Fotos und Videos an. Sie können sich mit der Person identifizieren, die meistens im selben Alter ist wie sie selbst und in den allermeisten Fällen auch toll aussieht auf den Fotos, die oft wie eine merkwürdigen Mischung aus Zufall und Inszenierung wirken.

Was so aussieht wie eine Momentaufnahme aus dem Alltag eines ganz normalen, aber eben super-tollen Menschen, ist eigentlich nur eine Aneinanderreihung von Werbebotschaften. Influencer inszenieren sich und die Produkte, für die sie werben nonstop. Die Produktpalette ist dabei riesig: Zahnpasta und Rasieren, Waschmittel, Sonnenbrillen, Eiweiß-Shakes, Klamotten, Luxus-Artikel – beworben wird alles, was irgendwie mit aufs Foto kann. Kurzer Text dazu, Marke erwähnen nicht vergessen – fertig.

Cool am Pool mit der Zahnbürste

Das treibt zum Teil so absonderliche Blüten, dass es schon wieder komisch ist. Zumindest wenn man noch alle Latten am Zaun, fragt man sich schon öfter mal, was der Quatsch eigentlich soll und ob das auch nur ansatzweise glaubhaft ist. Wenn mein Tag ein wenig trübe ist und ich Aufmunterung brauche, schaue ich mal bei „Perlen des Influencer-Marketing“ auf Facebook rein. Schon witzig, wie Werbetexte der Agenturen offenbar ohne zu lesen (und die Kopier-Anweisung zu löschen) übernommen werden und wie die Bildchen trotz aller schönen Filter eine komische Anordnung von Gegenständen an absurden Orten werden. Oder gehst du auch jeden Morgen mit der Zahnpasta in den Swimmingpool?

Was trotzdem bleibt, ist die Absicht der Agenturen, welche die hippen Influencer mit den Produktherstellern zusammenbringen: Man möchte ohne aufwändige Kampagnen Werbebotschaften direkt an die junge und etwas unreflektierte Kundschaft bringen. Anfangs ging das komplett ohne diese Beiträge in irgendeiner Weise als Werbung zu kennzeichnen. Die Kunden sollten es für ein Stück Leben des coolen Influencers halten, wie eine Empfehlung.

Als Werbung zu erkennen?

Der Influencer hat dafür nicht nur das Produkt geschenkt bekommen, sondern wurde auch dafür bezahlt, dass er bzw. sie sich damit in Szene setzt, fotografiert und im Beitrag den Namen des Produkts und des Herstellers nennt. Also ganz normale Werbung, die normalerweise in Deutschland als solche kenntlich gemacht werden muss, damit der Verbraucher Bescheid weiß und die Botschaft dementsprechend für sich bewerten kann. So ganz ohne Kennzeichnung ging es dann aber auch im WorldWide Web nicht, nur wie diese genau aussehen soll, damit jeder sie erkennen kann – das ist nicht so ganz klar.

Klar ist: Einfach nur irgendwo mittendrin das Hashtag #ad (englisch: advertisement = Werbung) unterzubringen, reicht dafür nicht. Im Juni 2017 wurde die Drogerie-Kette Rossmann vom Oberlandesgericht Celle wegen Schleichwerbung durch einen Influencer verurteilt. Bei einem bezahlten Werbe-Posting auf Instagram war „#ad“ eines von sechs Hashtags – das reicht nicht, urteilte das Gericht.

Warum die Aufregung? Auch im real existierenden Kapitalismus gibt es zumindest in Deutschland ein paar Spielregeln und Grenzen für die Werbung der Unternehmen. So steht beispielsweise im Rundfunkstaatsvertrag § 2 Abs. 2 Nr. 8: „Schleichwerbung: die Erwähnung oder Darstellung von Waren, Dienstleistungen, Namen, Marken oder Tätigkeiten eines Herstellers von Waren oder eines Erbringers von Dienstleistungen in Sendungen, wenn sie vom Veranstalter absichtlich zu Werbezwecken vorgesehen ist und mangels Kennzeichnung die Allgemeinheit hinsichtlich des eigentlichen Zweckes dieser Erwähnung oder Darstellung irreführen kann. Eine Erwähnung oder Darstellung gilt insbesondere dann als zu Werbezwecken beabsichtigt, wenn sie gegen Entgelt oder eine ähnliche Gegenleistung erfolgt, […]“

Was zählt: Glaubwürdigkeit

Es geht also um die Täuschung der Verbraucher. Und genau das beabsichtigt Influencer Marketing: Die Influencer gelten als besonders authentisch bzw. glaubwürdig und haben eine enorme Reichweite. Oft werden ihre Posts von mehreren Hunderttausend Usern (die praktischerweise auch genau der Zielgruppe entsprechen) gesehen und haben damit etwas, das in der Werbebranche mit Gold aufgewogen wird: Glaubwürdigkeit.

Die offenen Fragen der Kennzeichnungspflicht hält die Unternehmen freilich keineswegs davon ab, mit Influencern auf Kundenfang zu gehen. Der Marktwert der Influencer wird an der Zahl ihrer Follower und der tatsächlich Aufmerksamkeit durch diese gemessen. Gutes Aussehen ist von großer Bedeutung, dementsprechend ist auch das Durchschnittsalter bei Anfang, Mitte Zwanzig. Die Zielgruppen ähnlichen Alters passt dazu hervorragend: Junge Menschen sind oft ziemlich unkritisch und durch Bildern leicht zu beeinflussen (besonders, wenn man ihnen gar nicht sagt, dass es sich um bezahlte Werbung handelt).

Was macht Influencer so attraktiv?

Ihr Wunsch, so cool und lässig wie ihre Instagram- und YouTube-Vorbilder zu sein, ist groß. Und sie sind in diesen Medien sehr präsent. Für die Unternehmen war Werbung noch nie so günstig und zielsicher. Natürlich ist Instagram nicht der richtige Ort und eine durchtrainierte Zweiundzwanzig-jährige nicht der richtige Influencer, um Prothesen-Haftcreme für die Dritten anzupreisen. Aber für den neuesten Schlank-Drink und Anti-Pickel-Makeup sieht das schon anders aus.

Die Marketing-Profis streiten derweil noch, wie lang der Hype des Influencer Marketings wohl anhalten wird. Gut vorstellbar, dass die Schönen in ein paar Jahren wieder von der Bildfläche verschwinden, mindestens aber ausgetauscht werden. Wenn Jugendlichkeit eine der Hauptvoraussetzungen ist, ist die Halbwertzeit der Stars denkbar niedrig. Denkbar ist auch, dass strengere Regeln zur Kennzeichnung diese Form des Marketings bald unattraktiv machen. Dass die Zielgruppen anfangen, von selbst genauer hinzuschauen und zu hinterfragen, scheint mir eher illusorisch. Das Internet hat die Welt verändert – in mehr als einer Hinsicht. Es hat die Medien verändert und auch die Gesellschaft.

Zukunft des Influencer Marketing

Das ist aber der normale Lauf der Dinge, die Welt hat sich schon seit Anbeginn der Zeiten ständig verändert. Das wird sie auch in Zukunft tun. Influencer Marketing kann man mögen oder auch nicht. Jeder kann selbst entscheiden, welchen Accounts er folgen möchte und welche Videos er sehen möchte. Jeder kann auch selbst entscheiden, wie er seinen Kindern Medien und Werbung erklären möchte. Mir tun die Influencer ein wenig leid, die sich in jungen Jahren so gestresst haben, um die Welt geflogen sind für ein paar seltsame Schnappschüsse, Blödsinn getextet haben für ein paar Follower und in ein paar Jahren bestenfalls ansehnlicher Nachschub fürs Dschungelcamp sind. Es erweckt nicht gerade den Anschein, als wenn Influencer-Sein ein Job mit langfristiger Karriereperspektive und nachhaltigen Erfolgen ist.

So ist das Influencer Marketing zwar ein wachsender Bestandteil des Online Marketing, hat aber für die meisten nicht viel zu tun mit dem Geldverdienen im Internet. Erst recht nicht, wenn man die Absicht hat, sein Einkommen passiv zu erwirtschaften. Gemeinsam ist denen beiden Varianten nur, dass sie beide im Internet stattfinden. Der Vorwurf, Affiliate-Marketer seien doch auch Empfehler, genau wie Influencer, verfängt nicht so recht. Influencer und Affiliate profitieren beide von ihrer großen Reichweite und den Produkten anderer. Der Unterschied ist aber ziemlich deutlich: Influencer verwenden die eigene Person als Marke, um die Verkäufe des Produkts zu steigern. Ich als Affiliate-Marketer lege Wert darauf, Menschen eine Lösung anzubieten für ein Problem, das sie gerade haben.

Auf meiner Webseite und bei meinen Produktempfehlungen landen nur Menschen, die gerade ein Problem haben, für das sie gerne eine Lösung hätten. Ich achte darauf, den Interessenten Informationen zu liefern, um ihnen bei der Kaufentscheidung helfen. Ich gebe nie vor, mit meinem neuen Marketing-Tool lässig-entspannt-gutaussehend am Pool in Dubai abzuhängen. Das würde auch ziemlich dämlich aussehen und wäre sicher ein Fall für Perlen des Influencer Marketings. Im Übrigen ist einer der größten Vorteile bei der Arbeit als Online-Marketer, dass man sie bequem zu Hause im Schlafanzug erledigen kann. Davon möchte ich nun wirklich keine Fotos veröffentlichen.